Fragen und Zweifel

Eine Auswanderung nach Kanada war nicht wirklich etwas, das ich ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Nicht, dass ich meine eigenen Vorstellungen von diesem riesigen Land nicht mochte - Natur ohne Ende, zwei atemberaubende Küsten, eindrucksvolle Städte, eine liberale Regierung. Ein paar mal war ich auch bereits auf Geschäftsreise in unterschiedlichen Regionen Kanadas. Aber dort leben? In einem Land, in welchem die Winter nicht sehr nur kalt sondern auch lang sind? Wo die Bürokratie derer in Deutschland um nichts nachsteht? Wo soziale Sicherheit und die gesundheitliche Absicherung mit den hiesigen sicherlich nicht vergleichbar sind? Und dann immer wieder: Die Kälte!

Davon ganz abgesehen, meine persönliche Situation:

• Glücklich verheiratet und wir beide haben eine Auswanderung nie so richtig ernsthaft in Erwägung gezogen
• Haben vor nur zwei Jahren ein Haus gekauft und sind weit davon entfernt, es komplett abbezahlt zu haben
• Seit 10 Jahren in einem interessanten, sicheren und gut bezahlten beschäftigt
• Einen Freundeskreis aufgebaut und die ganze Familie in Deutschland
• Liebe warmes Wetter

In einem Satz: Meine Komfortzone war sehr gemütlich. Aber dennoch - irgendwie kamen mir immer wieder diese Gedanken: Bin das ich? Jahrzehntelang den gleichen Job an ein und demselben Ort? Warum nicht mal etwas ganz anderes ausprobieren? Was hindert mich daran, ein gerade erst gekauftes Haus einfach wieder zu verkaufen?

LinkedIn lohnt sich

Dank meines LinkedIn-Profilsbekam ich regelmäßige Anfragen von Headhuntern aller möglicher Agenturen und Unternehmen (so wie es wohl jedem geht, der ein einigermaßen aktuelles Profil pflegt). Manche interessanter und seriöser als andere. Irgendwann habe ich damit begonnen, einfach mal zurückzuschreiben. Es konnte ja nicht schaden, auf dem aktuellen Stand des Berufsmarkts zu bleiben und sei es nur, um meinen aktuellen "Marktwert!" einem Realitätscheck zu unterziehen. Im Sommer 2017 bekam ich etwa zwei Anfragen pro Woche und einige davon haben mein Interesse geweckt. Und so hat es schließlich angefangen.

Was ist die Hauptstadt Kanadas?

Jemand von Shopifyeinem Unternehmen, von dem ich irgendwann schon mal gehört hatte, schrieb mich an und fragte, ob ich die nächsten Tage Zeit für ein Telefonat hätte. Klar, dachte ich, klingt interessant. Aber wo nochmal sitzt das Unternehmen? Ottawa? Dunkel erinnerte ich mich, dass das wohl die Hauptstadt von Kanada war - aber ich hatte keine Vorstellung davon, wo genau sie lag. Vancouver, Toronto und Montreal hatte ich auf meinen Dienstreisen bereits besucht, aber Ottawa hatte dabei nie meine Aufmerksamkeit geweckt. Ein paar Monate und Skype-Telefonate später bekam ich die Chance, diese Stadt näher kennen zu lernen - Shopify lud mich vor Ort für ein paar persönliche Interviews ein. Das war Anfang Januar dieses Jahres... und der Besuch war eine Bestätigung dafür, dass die Kälte definitiv gewöhnungsbedürftig sein würde.

Mehr als nur Neugierde

Als ich schließlich ein paar Wochen später ein konkretes (und wettbewerbsfähiges) Angebot erhielt, bekam die ganze Geschichte plötzlich eine gewisse Brisanz und bloße Neugierde wandelte sich in ernsthaftes Abwägen. Natürlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits einige Diskussionen mit meiner Frau geführt, aber keine davon basierte auf ernsthaften Absichten. Das änderte sich nun blitzartig - auf einmal gab es eine realistische Chance, ein neues Jobangebot nach 10 Jahren SAP anzunehmen, und eine Möglichkeit, in ein fremdes Land auszuwandern. Chancen gehen meist einher mit Risiken, aber wir beide hatten das Gefühl, diese eingehen zu wollen. Das bevorstehende Abenteuer klang viel zu vielversprechend!

Hier stehen wir nun also und sind dabei, eine Auswanderung von Deutschland nach Kanada zu planen. Einen guten und sicheren Job zu kündigen, ein Haus nach nur zwei Jahren wieder zu verkaufen, Freunde und Familie hinter uns zu lassen. Und in eine der kältesten Hauptstädte der Welt zu ziehen.