Es ist soweit – nach monatelanger Vorbereitung ist der Tag gekommen, tatsächlich nach Kanada auszuwandern. Die Koffer waren gepackt, das Übergepäck bezahlt, und sämtliche Dokumente organisiert. Auf zum Flughafen mit einem Oneway-Ticket nach Ottawa!
Ein guter Freund und Arbeitskollege bot uns eine Mitfahrgelegenheit nach Frankfurt. Mit gemischten Gefühlen begann die Reise ins Ungewisse. Christina war dabei, auch wenn sie letztendlich erst drei Monate später nachkommen würde – sie hat noch ein paar Prüfungen für ihre momentane Ausbildung in Deutschland zu bestehen und eine eigene kleine Reise nach Irland vor sich.
Der Abschied am Flughafen war geprägt von innerer Aufregung und gleichzeitiger Vorfreude. Nun endlich begann das Abenteuer, das wir uns noch vor einem Jahr gar nicht so recht vorstellen konnten. Vor etwa 12 Monaten wurde ich das erste Mal von meinem neuen Arbeitgeber angeschrieben, und seitdem haben wir so viele kleine und große Hürden überwunden – allem voran der Hausverkauf, aber auch die unzähligen kleineren organisatorischen Dinge wie bürokratische Behördengänge, Adressänderungen, temporäre Wohnungssuche, Packen, Auszug aus dem Haus, Englischtests und viele mehr prägten die vergangenen Monate maßgeblich. Und jetzt war es endlich soweit! Wie würden die nächsten Tage und Wochen aussehen? Wie werde ich mit dem kanadischen Winter zurechtkommen? Wann würde ich das nächste Mal in Deutschland sein? Welchen Herausforderungen werde ich bei meiner neuen Arbeit begegnen?
Die Zeit im Flugzeug verging wie im Fluge. Obwohl ich gerne fliege, bin ich nicht der Freund von stundenlangen Sitzungen in der Economy-Class, aber die acht Stunden Direktflug nach Ottawa waren tatsächlich schnell rum. Am Flughafen angekommen war ich zunächst erst einmal überrascht von dessen Übersichtlichkeit. Schnell war ich durch die Passkontrolle durch und am Gepäckband. Als nächstes folgte der spannende Teil – die Einwanderung! Meine Papiere hatte ich alle dabei, aber letztendlich weiß man ja nie, wie die Beamten letztendlich reagieren. Es dauerte eine Weile, kostete ein paar hundert Dollar (sowie meine biometrischen Daten), und dann hatte ich meine zweijährige Arbeitserlaubnis im Pass.
Jetzt musste ich nur noch in die Innenstadt, meine temporäre (und freundlicherweise vom Arbeitgeber gestellte) Wohnung beziehen. Es war sehr windig draußen, wenn auch nicht kalt. Es begann zu regnen. Gerade noch rechtzeitig konnte ich meine vier Koffer im Auto meines Uber-Fahrers verstauen, als sich der Wind zu einem starken Sturm entwickelte, begleitet von extremen Regen. Was für ein Willkommenswetter! Später erfuhr ich in den Nachrichten, dass Ottawa an diesem Nachmittag von seinem ersten Tornado der Stadtgeschichte heimgesucht wurde – viele Häuser wurden zerstört, es gab Dutzende Verletzte und hunderttausende Bewohner hatten für mehrere Tage keinen Strom. Besonders der westliche Teil der Stadt war betroffen, aber ein paar umgestürzte Bäume und überschwemmte Straßen mussten wir auf den Weg in die Stadt auch umfahren.
Meine Wohnung für die nächsten zwei Monate befindet sich in Downtown, nicht weit weg vom Büro, im zehnten Stock eines Apartmentkomplexes. Voll möbliert und ausgestattet, drei große Zimmer, zwei Bäder, Küche. Lässt sich sicherlich gut aushalten und die Aussicht ist auch nicht ganz übel. Nachdem ich meine Koffer grob ausgepackt und eine Dusche genossen hatte, fiel ich erstmal erschöpft ins Bett.
Da meine Arbeit erst am 9. Oktober beginnt, habe ich glücklicherweise noch zwei Wochen Zeit, um mir einen ersten Eindruck von Ottawa zu verschaffen. Die ersten zwei Tage verbrachte ich mit ausgiebigen Spaziergängen und Laufeinheiten quer durch die Stadt. Das Wetter meinte es wieder gut, sodass ich einige Stadtteile zu Fuß erkunden konnte. Ottawa bietet überraschend viel Grün, unzählige Parks und sehr viel Wasser – durch den Ottawa River, den Rideau River und den Rideau Canal ist man im Grunde ständig von Wasser umgeben. Auch sind die Ufer prinzipiell überall zugänglich und es fällt einem schwer zu glauben, dass man von einer Million Einwohnern umgeben ist. Es gibt sehr viele Radwege und ruhige Ecken. Insgesamt macht die Großstadt nicht unbedingt den Eindruck einer solchen.
Nachdem ich ein paar Eindrücke gewonnen hatte, begann die Woche mit wichtigen Notwendigkeiten. Ich musste mich um eine Sozialversicherungsnummer kümmern, habe ein Konto eröffnet und mir einen Mobilfunkvertrag sowie eine Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr besorgt und meinen Kühlschrank gefüllt. Außerdem hatte ich Kontakt aufgenommen mit einem Maklerbüro, um möglichst zeitnah eine permanente Bleibe zu finden; idealerweise ein kleines Häuschen zur Miete, in einem der Stadtteile etwas außerhalb aber nicht zu weit von der Innenstadt (wo sich mein zukünftiges Büro befindet) entfernt.
Immer wieder wurde ich dabei daran erinnert, wie sich doch die Preise zu Deutschland unterscheiden. Alles kostet Geld, und meist mehr, als zu Hause. Angefangen von sehr teuren Lebensmitteln und der Schwierigkeit, ein erschwingliches Bankkonto zu finden. Der Mobilfunk in Kanada ist einer der teuersten weltweit und zudem ist der Tarifdschungel auch nicht besser als in Europa – umso stolzer war ich herausgefunden zu haben, dass ich auch in Ontario einen Quebec-Tarif für nahezu den halben Preis abschließen konnte. Der öffentliche Nahverkehr ist preislich vergleichbar mit dem in Mannheim, wenn man auch allein auf Busse angewiesen ist und vergeblich nach Straßenbahnen oder U-Bahnen sucht. Die Mieten selbst sind sehr abhängig von der Gegend, aber auch hier muss ich mich wohl auf höhere Kosten einstellen als bisher.
Die restliche Zeit hier verbringe ich mit den für den Umzug in eine neue Stadt üblichen Tätigkeiten – Busfahrpläne studieren, mich nach Fahrradläden umschauen, eine Stadtführung besuchen, Laufen gehen, kanadisches Fernsehen schauen und, nicht zu vergessen, meinen ersten Beavertail genießen – eine Spezialität Ottawas, bestehend aus frittiertem Teig bestrichen mit unterschiedlichen Zutaten. Wohl am ehesten vergleichbar mit dem ungarischen Langos, was man in Deutschland auf jedem Volksfest bekommt. Gleicher Preis, aber nur halb so groß. Eigentlich isst man die bei -25 Grad auf dem zugefrorenen Kanal auf Schlittschuhen aber ich bin froh, noch ein paar Tage über dem Gefrierpunkt erleben zu können, bevor sicherlich bald mein wohl bisher längster und kältester Winter beginnt.
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Welcome to Canada and all the best for you. We’re Immigrants to Canada too and we’re also from Germany.
Best Tino