In den vergangenen Jahren sind wir ja durchaus schon einige Male umgezogen. Von Görlitz nach Dresden, Dresden nach Mannheim, und innerhalb von Mannheim hatte ich in drei verschiedenen Wohnungen gewohnt, bevor wir in unser Haus gezogen sind. Ein Umzug auf einen anderen Kontinent spielt jedoch in einer ganz anderen Liga. Und auch hier hätte ich nicht mit so viel Papierkram gerechnet, wie letztendlich auf mich zukam. Bloß gut, dass wir vom Umzugs-Partner meines zukünftigen Arbeitgebers von Anfang an sehr gut unterstützt wurden.
Was muss mit?
Bereits im März hatte alles begonnen. Ein Mitarbeiter des Umzugsunternehmens hat sich bei uns vor Ort einen Überblick darüber verschafft, was denn alles in den Container musste. Und das war letztendlich fast alles bis auf die Küche – Sofa, Betten, Schränke und Regale, Tische und Stühle, Kleidung, Geschirr, Bücher, Ordner, Bettwäsche, Kissen, Schreibtisch, Fahrräder, Gartenmöbel, Schuhe, Werkzeug, Büromaterialien, Taschen, Koffer, Sportausrüstung. Auf der anderen Seite mussten wir uns auch recht früh schon gedanklich von den ein oder anderen Dingen trennen – einerseits sämtliche unserer Pflanzen, die in den letzten zwei Jahren richtig gut gewachsen sind; die würden einen wochenlangen Transport im Container aber nicht überstehen und sind größtenteils auch von der Einfuhr ausgeschlossen. Andererseits auch die meisten unserer Elektrogeräte, die nicht von 220 auf 110 Volt umschaltbar sind oder deren Netzteile ggf. ersetzt werden können – und das betraf im Grunde fast alles: Heimwerkermaschinen (Stichsäge, Bohrmaschine etc.), Küchengeräte (Wasserkocher, Toaster, Waffeleisen, Raclette-Grill), Gartengeräte (Rasenmäher, Heckenschere, Rasentrimmer), mein geliebter 75-Zoll-Fernseher, Kleingeräte wie Föhn, Bügeleisen und Heißklebepistole, Waschmaschine. Hier galt es zu entscheiden, was wir verkaufen, verschenken, oder irgendwo unterbringen mussten.
Die Inventur
Eine noch viel größere Aufgabe war ein weiterer bürokratischer Akt: für die Versicherung mussten wir sämtliche zu verschiffende Dinge in einer Excel-Liste erfassen. Anfangs war ich noch ganz begeistert, ich liebe Excel. Die Vorlage der Versicherung war aber so unbenutzbar (und passwortgeschützt nicht anpassbar), dass sich dieses Unterfangen sehr in die Länge zog. Über Tage hinweg inventarisierten wir unser gesamtes Hab und Gut nach Gegenstand, Anzahl und geschätzter Neuanschaffungswert – wir zählten unsere Socken, die Bücher, CDs, Teller, Tassen, Decken, Kissen, Jacken, Möbelstücke, Sportgeräte, Musikinstrumente, Vasen, Zauberwürfel, Unterwäsche, Handtaschen (!), Schuhe (!!!), Bilder, Spiegel, Teppiche, Deko, und auch sonst alles, was irgendwie mitmusste. Irgendwie zwar spannend, aber irgendwie auch unheimlich langwierig.
Sortieren, sortieren, sortieren
Das Umzugsunternehmen versicherte uns, dass wir im Grunde von alldem nichts selber packen müssten; keine Schränke ausräumen, keine Möbel auseinandernehmen. Wir hatten lediglich dafür zu sorgen, dass am Umzugstag klar ist, was in den Container kommt, und was nicht. Entsprechend sah es auch bis zum Schluss nicht unbedingt danach aus, als dass wir demnächst auswandern würden, und Freunde zu Besuch machten immer wieder entsprechende Bemerkungen.
Das Sortieren selbst war jedoch eine Herausforderung für sich und recht schnell bekamen wir Platzprobleme. Unser Keller und die Garage waren ja so schon voller Kisten und irgendwie mussten wir uns ein System überlegen, wie wir einen Überblick darüber behalten konnten. Es gab mehrere Kategorien:
- Für den Schiffscontainer bestimmt
- Reisegepäck Ludwig (für Einreise im September)
- Temporäre Wohnung und Reisegepäck Christina (für Einreise im Dezember)
- Zu verkaufen oder zu verschenken
- Bleibt im Haus (wird mitverkauft)
- Wird bei Freunden oder Verwandtschaft eingelagert
- Sperrmüll, Elektroschrott, etc.
Die letzten vier bis sechs Wochen bis zum Umzug waren recht chaotisch, und ständig mussten wir Boxen hin- und herräumen, umfüllen, neu organisieren. Tatsächlich kamen auch noch einige Dinge dazu: Dinge des täglichen Gebrauchs wie Waschmittel, Reinigungsmittel, Duschgel, Haarpflege, Körperpflege, Zahnpasta und Einiges mehr haben wir in Deutschland nochmal günstig eingekauft und uns einen guten Vorrat für die ersten Monate angeschafft. Das würde uns Gelegenheit geben, uns allmählich an die neuen Produktpaletten (und vor allem Preise) zu gewöhnen. Solange alles originalverpackt, nicht brennbar oder leicht entzündlich war, gab es auch keine Einschränkungen. Am Ende waren es ca. 15kg Drogerieprodukte…
Der Tag X
Und dann war es tatsächlich soweit. Am 13. September 2018 bog der Umzugs-LKW in unsere Einfahrt ein, und das fünfköpfige Handwerkerteam war bereit, unseren gesamten Besitz zu demontieren und verpacken. Zwei Tage lang. Und das waren sehr eigenartige zwei Tage. Wir sahen zu wie ein Möbelstück nach dem anderen ausgeräumt und seetauglich verpackt wurde, jeder Teller, jede Tasse in Papier und jedes Fahrrad in Folie gewickelt. Kleiderschrank, Bett, Expedit-Regal und Schreibtisch wurden auseinandergenommen, die Couch, der Esstisch und die Vitrine elegant in Karton und Folie verpackt, alles andere in unzählige Kisten. Es nahm kein Ende, ging gleichzeitig aber auch sehr schnell; und fühlte sich wirklich eigenartig an, wenn fremde Menschen im (noch) eigenen Haus sämtliches Inventar verpacken.
Am Ende des ersten Tages war bereits so gut wie alles von Pappe und Luftpolsterfolie umhüllt (Kosten für Verpackungsmaterial allein schon über 500 Euro…). Am zweiten Tag mussten die insgesamt 223 Kisten/Umzugsstücke markiert, in einem 12seitigen Dokument gelistet und in den LKW transportiert werden. Und dann war es auf einmal leer, das Haus. So, wie wir es vor gerade einmal zwei Jahren entgegengenommen haben (nur schöner). Zum ersten Mal fühlte sich die Auswanderung real an; wie auch die damit einhergehende Melancholie – hatten wir doch alles in allem zwei sehr schöne Jahre in dem Haus verbracht.
Übergabe
Jetzt hatten wir noch zwei Tage Zeit, nochmal alles ordentlich für unsere Nachfolger zu putzen. Das Bad, die Küche inklusive Spüle und Backofen, die Böden und der Keller haben ein letztes Mal gründliche Aufmerksamkeit erhalten. Mittlerweile hatten wir eine temporäre Wohnung in Lampertheim bezogen, in der ich bis zu meinem Flug eine Woche später noch wohnen konnte, und Christina bis zu ihrer eigenen Abreise im Dezember.
Am 17. September 2018 übergaben wir das Haus an die glücklichen Käufer. Auch wieder ein schräges Erlebnis. Den eigenen Wohnraum (auch nach nur zwei Jahren) an Fremde abzugeben ist durchaus etwas anderes, als ein gebrauchtes Fahrrad zu verkaufen. Insbesondere dann, wenn man noch nicht weiß, was einen demnächst denn selbst erwarten wird.