Unser kleines gemütliches Häuschen verkaufen zu müssen, war für mich zumindest gedanklich die die größte Hürde am ganzen Auswanderungsprozess. Nicht etwa, weil es mir so ans Herz gewachsen wäre (Gedanken in diese Richtung kamen erst später), sondern vielmehr, weil mir der mit einem Verkauf verbundene Aufwand schier überwältigend erschien. Tausend Dinge schossen mir durch den Kopf: Wie verkauft man eigentlich ein Haus? Finden wir überhaupt Käufer? Wie regelt man das mit der Bank und dem laufenden Kredit? Muss ich das noch voll entkernte Badezimmer vorher renovieren? Werden wir große Verluste machen? Oje, und dann erst der Umzug!
Hausbesitzer auf kurze Zeit
Es war noch gar nicht soviel Zeit vergangen, seitdem wir das Haus gekauft hatten. Als wir die Entscheidung für die Auswanderung trafen, war unser Einzug noch nicht einmal zwei Jahre her. Viel Arbeit, Geld und Zeit hatten wir (und unsere hilfsbereiten, mehrfach angereisten Schwiegereltern!) damals in die Erneuerung gesteckt: Neue Fenster, Erneuerung der Elektrik, teilweise neuer Fußboden, Wände entfernt und neue gestellt, komplett neu tapeziert und gestrichen, eine nagelneue Küche einbauen lassen. Ein Großteil der Möbel war ebenfalls neu – Esszimmer, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bad hatten wir neu eingerichtet, einen traumhaft großen Fernseher angeschafft und viele Stunden Arbeit in eine passgenaue und selbstgeschreinerte TV-Bank gesteckt. Im Garten versetzten wir Bäume, wuschen tagelang Kies, konstruierten und strichen Zäune. In der Garage richtete ich eine passable Werkstatt ein, kaufte Arbeits- und Gartengeräte. Heimwerker sein machte nicht immer Spaß (und ich bin alles andere als ein Naturtalent), aber jeder Handgriff und jedes erfolgreiche Projekt machten das Haus Schritt für Schritt auch innerhalb der nur zwei Jahre gemütlicher.
Aber dennoch: Die Chance auf ein Abenteuer im Ausland klang so vielversprechend und letztendlich gab es natürlich auch genug Dinge, die uns an der Rolle als Hausbesitzer nicht gefielen. Die Entscheidung war getroffen, es mussten also Handlungen folgen. Vermieten kam nicht in Frage (zu viele offene Baustellen gab es noch, um die wir uns aus der Ferne nicht hätten kümmern wollen), und wir mussten einen Verkauf innerhalb von vier Monaten über die Bühne bringen.
War das überhaupt möglich?
Haus zu verkaufen!
Zunächst musste natürlich erstmal eine Annonce geschaltet werden. Unser Haus sollte sich von seiner besten Seite zeigen – also wurde geputzt, aufgeräumt und an einem wunderbar sonnigen Frühlingstag jeder Raum und alle Außenansichten fotografiert. Ich verfasste einen ansprechenden aber ehrlichen Text, recherchierte und berechnete unseren Wunschverkaufspreis. Idealerweise sollte natürlich der noch längst nicht abbezahlte Kredit inklusive Zinsen vollständig abgelöst, die Vorfälligkeitsentschädigung einberechnet, die komplett neu angeschaffte Küche sowie das investierte Eigenkapital und die ursprünglichen Renovierungskosten wieder reingeholt werden. Würde das alles die Immobilienpreisentwicklung innerhalb von nur zweieinhalb Jahren abdecken?
Wir überlegten außerdem, für welchen Zeitraum wir die Anzeige schalten sollten; eine Woche? Einen Monat? Drei Monate? Kürzer oder länger? Immerhin verlangt das Anzeigenportal Gebühren im mittleren dreistelligen Bereich… letztendlich entschieden wir uns für vier Wochen und veröffentlichen die Annonce online.
Die Resonanz war überwältigend. Es dauerte keine viertel Stunde, da kamen die ersten Anfragen. Schnell bemerkte ich, dass es wohl eine etwas unübersichtlichere Angelegenheit würde als erwartet und ich legte eine Excel-Datei an, um mir einen Überblick darüber verschaffen zu können, wer sich wann meldete, mit wem ich wann kommunizierte und was der aktuelle Stand der jeweiligen Kommunikation war. Die Anfragen häuften sich und ich kam mit Antworten nicht hinterher. Wir entschieden, direkt am kommenden Samstag einen Besichtigungstag anzubieten und ich vereinbarte insgesamt zwölf halbstündige Termine mit den meistversprechenden Interessenten. Von denen wurden es immer mehr und nach nicht einmal 48 Stunden und über 80 Anfragen deaktivierte ich die Anzeige erstmal. Dass der Markt derart umkämpft ist hätte ich nicht erwartet. Es war auch nicht unbedingt ein Schnäppchenpreis, zu dem wir das Haus anboten, sondern unser Wunschpreis. Ich bekam sogar Anfragen von fünfköpfigen Familien (für ein Haus mit vier Zimmern und 110qm)!
Nunja, fragen kostet ja nichts, und obwohl wir sehr viele Bilder und aussagekräftige Beschreibungen hochgeladen hatten würde es der ein oder andere sich mit Sicherheit nochmal anders überlegen nach einer Besichtigung.
Hausbesichtigung
Diesen Samstag werde ich wohl nie vergessen. 12 Termine im Halbstundentakt. Und natürlich würde jeder etwas länger dauern. Es war bestes Wetter, das Haus aufgeräumt und geputzt, und die ersten Interessenten kamen. Meist waren es Paare, aber auch Singles und Familien schauten sich unser Haus an. Einen nach dem anderen führten wir durch, erklärten immer wieder aufs Neue unsere Verkaufsabsichten und Eigenheiten des Hauses, wiesen auf Macken und Besonderheiten hin (insbesondere natürlich das komplett entkernte und renovierungsbedürftige Bad!), und teilten uns auf, um die nächste Besichtigungspartei zu begrüßen. Was für ein Tag. Von Arbeitskollegen wurde ich vorgewarnt, dass ein solcher Besichtigungstermin deprimierend sein kann, da viele Interessen das Kaufobjekt kritisieren in der Absicht, den Preis zu drücken. Diese Erfahrung machten wir überhaupt nicht, im Gegenteil – unser Haus schien die meisten Interessenten zu begeistern und fiel höchstens aus anderen Gründen (vor allem Größe) aus deren Raster.
Am Ende des Tages waren wir komplett fertig, ich hatte meine Excel um unzählige Kommentare und Notizen und Kontaktinformationen ergänzt. Es gab an diesem ersten (und letztendlich auch einzigen) Besichtigungstag drei bis vier ganz konkret Interessierte. Ein sehr nettes junges Paar ganz besonders konkret.
...und schon verkauft!
Es fühlte sich an diesem Besichtigungstag zum ersten Mal real an, dass bald tatsächlich ein komplett neuer Lebensabschnitt beginnt. Wir würden uns von unserem Haus trennen. Der schönen neuen Küche! Der großen überdachten Terrasse! Der Nähe zum Wald und zum Schwimmbad! Der Werkstatt! Gleichzeitig war es natürlich super, dass der Verkauf scheinbar kein größeres Problem darstellen würde.
Am nächsten Tag führte ich noch ein paar Telefonate, zwei oder drei der ernsthaften Interessenten gaben wir nochmal die Möglichkeit, einen zweiten Blick auf die Immobilie zu werfen. Recht schnell hatten sich aber unsere zukünftigen Käufer herauskristallisiert – das junge Paar hatte von Anfang an die netteste Anfrage gestellt, sie waren nachweisbar solvent, hatten sehr starke Kaufabsichten, konnten sich mit einem Übergabetermin Mitte September arrangieren (wir hatten jetzt Mai), machten einen sehr sympathischen Eindruck. Es ging dann alles verhältnismäßig schnell und unkompliziert. Ich schlug für die Verkaufsabwicklung den Notar vor, den wir auch schon vor zwei Jahren hatten. Er bekam sämtliche Daten von uns und setzte einen Kaufvertragsentwurf auf. Wir diskutierten noch zusätzliche zu verkaufendes Inventar (einige Möbel, den Fernseher, die Werkstatt, Gartengeräte) und trafen uns auch nochmal in Ruhe mit den zukünftigen Käufern. Nicht einmal zwei Wochen nach der ersten Besichtigung erschienen wir alle vier beim Notar und unterschrieben den Kaufvertrag.
Genauso wie ein Hauskauf, ist auch ein Hausverkauf eine sehr interessante Erfahrung. Vielleicht muss man beide nicht unbedingt innerhalb von zwei Jahren machen, aber missen möchte ich beide nicht. Das Haus wird jetzt in gute Hände abgegeben, wir hatten einen großen Schritt gemacht und gedankliche Hürde überwunden und konnten uns auf die nächsten Dinge konzentrieren: Die langfristige Vorbereitung auf den bevorstehenden Umzug!
Es kam erst viel später, dass ich meine emotionale Verbundenheit mit meinem zweijährigen Eigenheim verspürte.